Geschichte im Fluss: Die Regnitz erzählt
Von Süd nach Nord fließt die Regnitz, und genau das bedeutet auch ihr Name: „die Fließende“. Über die Jahrhunderte hat der Mensch den Lauf der Regnitz teils stark verändert: Flussschleifen wurden abgeschnitten, Altwasser zugeschüttet, Ufer begradigt und versteint, der Main-Donau-Kanal gebaut. Doch in den vergangenen Jahren wurden viele Abschnitte der Regnitz wieder naturnah gestaltet. Geblieben sind zudem viele technische Denkmäler rund um Kanäle, Schifffahrt und Bewässerung. Folgen Sie uns von Nürnberg nach Bamberg entlang der Regnitz – sie erzählt eindrucksvoll vom Lauf der Geschichte.
Fährmann, hol rüber!
Genau das ruft man, wenn man in Pettstadt die Regnitz überqueren möchte - so, wie es seit Jahrhunderten von statten geht. Denn belegt ist die Fähre Pettstadt bereits seit 1461. Bis in die 1920er Jahre gab es zwischen Forchheim und Bamberg keine Brücken, die Fähren waren die einzige Möglichkeit, über den Fluss zu kommen.
Die Fähre Pettstadt ist genauso wie die 2012 wieder in Betrieb genommene Fähre Mühlwörth in Bamberg eine Gierseilfähre. Zur Fortbewegung nutzt man dabei die natürliche Strömung des Flusses. Mit Hilfe von Lauf- und Führungsseilen wird der Anstellwinkel der Fähre zum Strom hin so verändert, dass der Druck des anströmenden Wassers die Last zum anderen Ufer trägt - ganz ohne Motorkraft.
Die Fähre Pettstadt bringt Passagiere täglich von Anfang März bis Ende Oktober von 9.00 bis 19.00 Uhr über die Regnitz. In den Wintermonaten können Sie die Umleitungsstrecken nutzen.
Lebensquell für die Stadt
Wer in Nürnberg unterwegs ist, dem fallen die vielen alten und neuen Brunnen ins Auge. Was heute vor allem erfrischende Zierde ist, hatte früher eine lebenswichtige Aufgabe: Die Brunnen waren die Wasserversorgung für die Stadtbevölkerung.
Nürnberg verfügte schon im Mittelalter über ein gut ausgebautes System zur Wasserversorgung, 1594 zählte man bereits 118 Brunnen und 14 Wasserleitungen in der Stadt.
Ende des 18. Jahrhunderts gab es innerhalb der Stadtmauern 26 Spring- und Röhrenbrunnen, 116 Ziehbrunnen auf öffentlichen Straßen und Plätzen und 1.049 Schöpfbrunnen in Häusern und Höfen.
Sandstrand und Silbergras
Gerade auf dem Wegstück des RegnitzRadwegs zwischen Erlangen und Baiersdorf ist die Ähnlichkeit mit südlichen Gefilden unübersehbar. Verantwortlich dafür ist der Sandreichtum des Regnitztals: Wind und Wasser transportierten den Sand über Jahrmillionen hierher - zur Freude der Feinschmecker, denn auf den sandigen Böden gedeihen hervorragend Spargel, Erdbeeren oder Meerrettich.
Die Sandfluren sind aber auch heiß, trocken und nährstoffarm, weshalb in der Natur echte Überlebenskünstler zu finden sind. So wiegen sich Silbergras uund Sandgrasnelken im Wind, Heidekraut leuchtet in der Sonne, Sandlaufkäfer stelzen über den lockeren Boden und Ameisenlöwen gehen auf Beutefang.
weitere Informationen zum sandigen Lebensraum unter www.sandachse.deAus dem Vollen geschöpft
Ende des 19. Jahrhunderts standen zwischen Schwabach und Forchheim rund 250 Wasserschöpfräder - ein europäischer Rekord.
Mit ihnen glichen die Bauern die geringen Niederschläge im Regnitzbecken aus und düngten gleichzeitig die Wiesen mit dem nährstoffreichen Flusswasser. Angetrieben von der Strömung fließt das Wasser aus den Schöpfeimern über hölzerne Rinnen in die Bewässerungsgräben. Erst nach dem Ersten Weltkrieg wurden die Wasserschöpfräder zunehmend durch Mineraldünger und elektrische Pumpen verdrängt.
Problematisch waren früher auch die Frühjahrshochwasser, deren Treibgut oft die Räder zerstörte. Deshalb wurden die Schöpfräder jedes Jahr zum 1. Mai auf- und zum 30. September wieder abgebaut - und so verhält es sich auch heute noch.
Mühlen als Entwicklungsmotor
Forchheim war und ist reich an Mühlen - ein besonderes Exemplar ist etwa die 1698 erbaute Kammerersmühle an der Wiesent. Gleich nachdem sie erbaut wurde, neigte sie sich dem Wasser zu, was ihr den Beinamen „Schiefes Haus“ einbrachte. Mühlen, wie sie auch in Bamberg zahlreich zu finden sind, waren einst eine unverzichtbare Lebensgrundlage.
Dort, wo die Flüsse durch die Städte zogen, bildeten sich mitunter ganze Mühlenviertel heraus. Öl- und Getreidemühlen gab es hier ebenso wie Hammer-, Schleif- oder Walkmühlen: Sie waren das Rückgrat des wirtschaftlichen Lebens und oft auch seiner Weiterentwicklung. Nicht selten waren die Mühlen im 19. und 20. Jahrhundert der Schauplatz für die Industrialisierung in den Städten.
Kanal auf dem Trockenen
In Eggolsheim führt ein kurzer Abstecher vom RegnitzRadweg zur begehbaren Schleuse 94. Die Schleuse des ehemaligen Ludwig-Donau-Kanals wurde trockengelegt und die Tore, mit denen der Schleusenwärter von Hand die Schleusenkammer öffnete, wurden saniert.
Auch sonst ist sie noch vollständig erhalten - samt den originalen Sandsteinplatten im Kanalbett, auf denen man in acht Meter Tiefe durch die Schleuse schreitet. An der Stelle des ehemaligen Schleusenwärterhäuschens steht ein Infopavillon mit 12 Schautafeln zur Geschichte des Kanals. Auch der Treidelpfad an der Schleuse ist noch da: Beim Treideln zogen Pferd oder Mensch die Schiffe auf dem Kanal vom Ufer aus. Vor der Einführung des Schiffsantriebs war diese schweißtreibende Arbeit die einzige Möglichkeit, Schiffe ohne Segel vorwärts zu bewegen.
www.schleuse94.deLeben und Leid nah beieinander
Ohne das Wasser der Regnitz wäre die Entwicklung Bambergs nicht vorstellbar. Doch nicht immer brachte der Fluss den Bambergern Glück. Die Hochwasser der Regnitz waren bis ins 20. Jahrhundert eine ständige Bedrohung.
Besonders schlimm war es 1342 und 1784. Letzteren Datums wurden durch Eisschollen und verkeilte Holzstämme, die das Hochwasser mit sich brachte, fast alle Brücken und viele am Fluss gelegene Häuser zerstört. An vielen Bauten in der Stadt zeugen Hochwassermarken von der zerstörerischen Kraft der Regnitz. (Bild: Zerstörung der Seesbrücke in Bamberg beim Eishochwasser 1784 von G.F. Rübner; Bild im Eigentum der Kolpingsfamilie Bamberg, Foto: Stadtarchiv Bamberg A 22 + C III 4 a)
Einschneidende Wasserstraße
1992 wurde der letzte Abschnitt des Main-Donau-Kanals, dessen ökologisch heftig umstrittener Bau des Regnitztal prägt, vollendet. Schon 1922 war klar, dass der unrentable Ludwigskanal den Bedürfnissen der Schifffahrt nicht mehr entsprach. Ein neuer Kanal sollte her und bereits damals begannen die ersten Bauarbeiten. Aber erst 1958 nahm das Kanalprojekt konkrete Formen an.
34 Jahre lang baute man an dem Großprojekt zwischen Bamberg und Kelheim und folgte dabei teils der Trasse des alten Ludwigskanals. Rund 55 Meter breit und vier Meter tief durchzieht dieses ingenieurtechnische Großbauwerk seitdem Franken und verbindet im Netz der europäischen Wasserstraßen die Nordsee mit dem Schwarzen Meer. Dadurch wanderten auch neue Tierarten wie die Zebramuschel oder die Schwarzmeergrundel in die Regnitz ein.
Seit 2012 wird das Umfeld des Kanals gezielt als Lebensraum für Tiere und Pflanzen aufgewertet.
www.landgang.info